Die Dreigroschenoper

Berlin, Ende der 1920er Jahre. Die Stadt ist ein brodelnder Schmelztiegel: Jazz in den Hinterhöfen, politische Unruhe auf den Strassen, ein Publikum, das nach Neuem hungert. In dieser Atmosphäre begegnen sich zwei Künstler, deren Zusammenarbeit ein Stück Weltgeschichte schreiben wird – Bertolt Brecht und Kurt Weill.

Brecht, der junge Dramatiker mit scharfem Blick für die Widersprüche der Gesellschaft, sucht nach einer Form, die das Theater aus der bürgerlichen Behaglichkeit herausreisst. Weill, der Komponist mit Gespür für moderne Klänge, will Musik schaffen, die nicht nur schön klingt, sondern die Wirklichkeit spiegelt. Gemeinsam greifen sie zurück auf eine alte englische Vorlage: John Gays Beggar’s Opera von 1728. Doch was sie daraus machen, ist keine blosse Bearbeitung – es ist eine radikale Neugeburt.

Am 31. August 1928 hebt sich im Theater am Schiffbauerdamm der Vorhang.

Das Publikum sieht London, aber nicht das glanzvolle, sondern ein London der Gauner und Bettler. Dort herrscht Jonathan Peachum, der die Armen wie eine Firma organisiert. Dort zieht Macheath, genannt Mackie Messer, als charmanter Gangster seine Kreise. Und dort verschwimmen die Grenzen zwischen Geschäft und Verbrechen, zwischen Moral und Macht.

Die Musik von Kurt Weill ist anders als alles, was man bis dahin auf einer Opernbühne gehört hat: scharf, jazzig, voller Kabarett-Töne, zugleich ironisch und eingängig. Schon die „Moritat von Mackie Messer“ wird zum Lied, das die Stadt summt, bevor die Vorstellung überhaupt zu Ende ist.

Das Publikum ist elektrisiert. Innerhalb weniger Monate erobert die Dreigroschenoper die Bühnen Europas. Sie ist mehr als ein Theaterstück – sie ist ein Spiegel, der zeigt, wie dünn die Fassade der bürgerlichen Ordnung ist. Brecht und Weill haben eine Oper geschaffen, die nicht in Samt und Seide daherkommt, sondern mit drei Groschen auskommt – und doch unbezahlbar ist in ihrer Wirkung.

So beginnt der Mythos: ein Werk, das bis heute gespielt wird, weil es die unbequeme Wahrheit ausspricht, dass hinter den glänzenden Fassaden oft dieselben Mechanismen wirken wie in der Unterwelt. Die Dreigroschenoper ist nicht nur ein Stück Theatergeschichte – sie ist ein Stück Weltgeschichte.

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